Im 19. Jahrhundert trugen Rigiträger wohlhabende Gäste in Tragsesseln, während Pferdehalter und Bergführer Reisende zur „Königin der Berge“ führten. Sie ermöglichten den Aufstieg einer neuen Touristenkultur und brachten Wohlstand in die Region. Mit der Eröffnung der Vitznau-Rigi-Bahn 1871 endete diese Tätigkeit jedoch abrupt.
Ein neuer Strom von Reisenden
Es war um 1820, als die Königin der Berge, die Rigi, ihren Ruf als Sehnsuchtsort für Reisende aus aller Welt zu festigen begann. Was zuvor ein stiller Rückzugsort für Bauern, Hirten und fromme Pilger war, verwandelte sich mit der Ankunft der ersten Touristen in eine Bühne der mondänen Welt. Maler und Dichter schwärmten von den Sonnenaufgängen, gekrönte Häupter und Künstler reisten aus halb Europa an. Doch ohne jene unscheinbaren Helfer im Hintergrund – die Rigiträger, Pferdehalter und Bergführer – wäre dieses Schauspiel kaum möglich gewesen.
Die Rigiträger – stille Helden der Berge
Wer sich die Mühen der steilen Wege ersparen konnte oder wollte, ließ sich in einem Tragsessel nach oben bringen. Die Rigiträger, kräftige Männer aus den umliegenden Gemeinden, trugen die Reisenden auf ihren Schultern hinauf zu den Aussichtspunkten. Sie bewegten sich über Stock und Stein, bei Hitze wie bei Regen, in knöchelhohen, handgenähten Schuhen. Ihre Schritte waren sicher, doch die Last schwer. Denn sie trugen nicht nur das Gewicht der Gäste – meist elegante Damen und Herren in der Mode ihrer Zeit –, sondern auch den Stolz einer ganzen Region, die sich plötzlich dem Fremdenverkehr öffnete.

Griffschuhe für Rigiträger © Photo: Franz Josef Beeler, Goldau
Ein besonderes Zeugnis dieser Epoche wurde im Sommer 2025 in der Ausstellung „150 Jahre Rigi-Scheidegg-Bahn“ gezeigt: ein Paar Griffschuhe aus dem Jahr 1920, gefertigt von Marzell Camenzind (1895–1963) in kunstvoller Handarbeit. Diese robusten Lederschuhe mit handgeschmiedeten Eisenstiften gaben den Rigiträgern sicheren Halt auf steilen, feuchten Pfaden. Es ist leicht, sich vorzustellen, wie sie im Morgengrauen, mit gesenktem Kopf und ruhigem Atem, Schritt für Schritt Gäste bergauf beförderten – ein Bild, das von stiller Würde und bewundernswerter Kraft erzählt.
Pferdehalter und Kutscher – der Aufstieg beginnt im Tal
Nicht alle Reisenden ließen sich tragen. Wer lieber auf dem Rücken der Tiere oder in einer Kutsche reiste, vertraute sich den Pferdehaltern an. Schon am Fuß der Rigi warteten sie mit ihren Wagen, die klappernd über die Wege rollten. Pferde schnaubten, Hufeisen klirrten, und die Reisegesellschaften wurden hinauf zu Gasthäusern und Aussichtspunkten gebracht. Für viele Bauernfamilien bot diese Tätigkeit ein willkommenes Zusatzeinkommen. Die Pferdehalter kannten jeden Stein und jede Raststelle, sie wussten, wo Wasser floss und wo der Schatten die Tiere schonte.
Auch sie waren Teil jenes stillen Netzes von Helfern, das den Touristenstrom überhaupt erst möglich machte. Ohne sie hätte die mondäne Gesellschaft nicht jene Leichtigkeit erlebt, die sie in Briefen, Tagebüchern und Gedichten so überschwänglich rühmte.
Rigi-Führer – Wegbereiter in die Höhe
Neben Trägern und Pferdehaltern spielten auch die Rigi-Führer eine entscheidende Rolle. Sie begleiteten die Gäste über anspruchsvollere Wege, erklärten die Aussicht und erzählten Geschichten über Berge, Täler und Sagen. Mit sicherem Schritt führten sie durch unwegsames Gelände, zeigten die schönsten Stellen für Sonnenaufgänge und kannten die geheimen Plätze, wo Alpenblumen blühten.
Oft waren es dieselben Männer, die im Winter Holz schlugen oder als Hirten arbeiteten. Im Sommer aber verwandelten sie sich in Botschafter einer neuen Zeit, in denen die Berge nicht nur Lebensraum, sondern Sehnsuchtsort waren.
Blütezeit und jähes Ende
Die stetig wachsende Zahl der Besucher brachte den Bewohnern der Rigi-Gemeinden ungeahnte Einnahmen. Was zuvor karges Bergleben war, bot nun – wenn auch nur für ein halbes Jahrhundert – ein neues Auskommen. Rigiträger, Pferdehalter und Führer stiegen zu angesehenen Figuren auf, ihre Dienste wurden gut entlohnt, und manche Familie verdankte ihnen den ersten Wohlstand.

Vitznau-Rigi-Bahn im Jahr 1871
Doch mit der Eröffnung der Vitznau-Rigi-Bahn im Jahr 1871 änderte sich alles. Der eiserne Fortschritt dampfte den Berg hinauf, schneller und bequemer, als es je ein Träger oder Pferd vermocht hätte. Sehr schnell brach der Bedarf an Rigiträgern und Pferdekutschern ein. Was für Generationen eine Lebensgrundlage gewesen war, endete abrupt – Opfer einer neuen Ära, in der Technik das Bild der Berge veränderte.
Erinnerung an eine vergangene Epoche
Heute erinnern nur noch wenige Zeugnisse an diese Zeit. Ein Paar Griffschuhe, eine alte Abbildung eines Rigiträgers mit Tragsessel, die Erzählungen in Reiseberichten – sie lassen die Epoche lebendig werden, als der Tourismus noch jung und voller Abenteuer war.
Es ist eine Welt, die in die Atmosphäre der Belle Époque zurückführt – in jene Jahre, in denen die Rigi zur Königin der Berge gekrönt wurde. Getragen, geführt und begleitet von Menschen, deren Namen selten in die Geschichtsbücher eingingen, die jedoch den Weg für Generationen von Reisenden ebneten.
